Der Amokläufer von Winnenden

Wer sich mit Amokläufen in Deutschland oder auch weltweit, insbesondere aber in den USA beschäftigt, wird feststellen, dass eine große Zahl dieser Taten an Bildungseinrichtungen verübt wurde. Während man lange darüber diskutieren kann, wieso es überhaupt zu Amokläufen kommt und welche der Taten auf was für eine Weise hätte möglicherweise verhindert werden können, stellt sich nebenbei die Frage, wieso Amokläufe häufig an Bildungseinrichtungen geschehen.

Amokläufer haben oft schlechte Noten und schließen ihre Ausbildungen oft nicht erfolgreich ab. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob solche Jungendliche ihrem Leben und ihrem Umfeld gegenüber gleichgültig sind oder ob diese vermeintliche Leistungsschwäche andere Ursachen haben könnte. Tim Kretschmer, der Amokläufer von Winnenden, ist ein sehr gutes Beispiel um Antworten zu suchen. Im Gegensatz zu vielen anderen Amokläufern hat er die Realschule erfolgreich beendet. Dies zeigt, dass zumindest kein Mangel an Intelligenz unterstellt werden kann oder eine fehlerhafte schulische Ausbildung.

Viel mehr zeigt sich in Deutschland und auch international, dass das äußere Umfeld eine entscheidende Rolle spielt. Der Vater setzte Tim Kretschmer unter starken Leistungsdruck, dem dieser offenbar nicht gewachsen war. Zusätzlich war er in der Schule ein Außenseiter und wurde von Mitschülerinnen und eventuell Lehrerinnen in irgend einer Form gemobbt.

Hier zeigt sich ein großes Problem unserer Gesellschaft. Wer nichts leistet, ist nichts wert - in rein finanziellem Sinne. Mittlerweile gibt es in Deutschland fast so viele Absolventen eines Bachelor Studiengangs, wie vor wenigen Jahrzehnten noch Abiturienten. Hier zeigt sich eine bildungspolitische und leistungsgesellschaftliche Problematik. Einerseits zeigt sich, dass die Abschlüsse weniger wert sind. Zwar wird dies in der Öffentlichkeit gerne totgeschwiegen, jedoch ist es ein offenes Geheimnis, dass der Bachelor Abschluss etwa den gleichen Wert hat wie früher ein Vordiplom der gleichen Studiengänge - effektiv keinen! Ein Student, der tatsächlich Erfolg im Berufsleben haben will, ist gezwungen sein Studium bis zum erhalt des Master Abschlusses fortzusetzen. Dann entspricht sein Bildungsniveau dem eines Absolventen des gleichnamigen früheren Diplomstudiengangs. Jedoch aus Zeitmangel und dem Drang der Universitäten Studenten möglichst schnell zum Abschluss zu bringen hat ein Masterabsolvent weniger Erfahrungen, da sein Studium im Schnelldurchgang absolviert werden muss.

Letztlich ist ein Bachelor Abschluss in etwa so viel Wert wie vor wenigen Jahrzehnten das Abitur. Gleichzeitig steigen die Anforderungen der Arbeitgeber. Selbst einschlägige Lebensmitteldiscounter setzen das Abitur voraus. Dadurch sinken die Zukunftsperspektiven für Schüler eines geringeren Bildungsniveaus ins Bodenlose. Dies zeigt sich auch in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit jedes Jahr auf's Neue. Es bleiben bundesweit etliche Ausbildungsplätze unbesetzt und gleichzeitig gibt es Schulabgänger ohne Ausbildungsplatz. Die Frage nach dem Grund ist schnell zu beantworten: es sind Berufe, die selbst die schlechtesten Schulabgänger nicht ausüben wollen, da sie, wenn man denn so will, bestenfalls als eine moderne Form von Sklaverei zu betrachten sind.

Da diese Problematik auch von Eltern erkannt wird, bauen sie hohen Leistungsdruck auf und treiben ihre Kinder zu Leistungen an, denen diese nicht gewachsen sind, nur damit ihre Arbeitstauglichkeit durch ein Abschlussdokument der Schulen bestätigt wird. Dass Lehrer oftmals subjektiv benoten verschärft das Problem zusätzlich.